Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht. - Der HERR ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun?
Oben: Luther bereitet sich durch Gebet vor, vor Kaiser und Reich zu erscheinen. Hauptbild: Luther und Frundsberg vor dem Eingang zum Reichssaal.
Auf Kaiser Maximilian, den das deutsche Volk besonders verehrt hatte und der am 12. Januar 1519 gestorben war, folgte sein Enkel Karl V. auf dem Kaiserthron. Dieser hatte bisher Spanien, Neapel und die Niederlande beherrscht und kümmerte sich auch sein Leben lang mehr um diese Erbländer als um Deutschland. Er brauchte die Dienste des Papstes besonders in Spanien, weshalb er ihm versprochen hatte, die deutsche Ketzerei zu unterdrücken und die sich bei ihm befindenden Legaten des Papstes, Aleander und Caracciole, sorgten dafür, dass er sein Versprechen nicht vergaß. Auf seinem ersten Reichstag in Worms, im Frühjahr 1521, legte er den Ständen ein Mandat vor, dass man Luther gefangen nehmen und seine Beschützer als Majestätsverbrecher behandeln sollte. Dieses nahmen die deutschen Fürsten aber nicht an, die selbst genug über den Papst zu klagen und 101 Beschwerdepunkte aufgesetzt hatten. So beschloss man, besonders auf Betreiben Friedrich des Weisen, dass Luther vor dem Reichstag erscheinen und gefragt werden solle, ob er bestimmte Punkte widerrufen wolle. Wolle er das nicht, dann solle er als öffentlicher Ketzer behandelt werden. Dagegen wehrten sich die päpstlichen Legaten mit allen Mitteln und fanden es unerhört, dass man mit einem vom Papst Gebannten noch weiter verhandeln wolle. Aber es half ihnen nichts. Am 6. März 1521 zitierte Kaiser Karl V. Dr. Martin Luther nach Worms, indem er ihm freies kaiserliches Geleit zusicherte. Der Reichsherold Caspar Sturm überbrachte Luther das Schreiben am 25. März. Innerhalb von 21 Tagen sollte er sich in Worms einfinden, von Sturm begleitet. Seine Freunde rieten ihm ab, er solle nicht nach Worms gehen. Sie fürchteten, er werde dort wie Johann Hus trotz des kaiserlichen Geleits verbrannt werden, besonders sein Freund und Fürsprecher Spalatin, der mit dem Kurfürsten in Worms war und die Stimmung dort kannte. Er aber verließ sich auf Gott, der einst die drei Männer im feurigen Ofen1 erhalten hatte und erklärte, wenn er gerufen werde, wolle er nach Worms gehen, auch wenn dort so viele Teufel wären wie Ziegel auf den Dächern. „Ich weiß und bin gewiss,“ schreibt er in jenen schweren Tagen, „dass unser Herr Christus noch lebet und regieret; auf dieses Wissen trotze ich, dass ich auch viel tausend Päpste nicht fürchten will; denn der in uns ist, ist größer, denn der in der Welt ist.“
Einige Tage nach Ostern, am 2. April, brach er von Wittenberg auf. Sein Freund Nikolaus Amsdorf, ein in Wittenberg studierender Edelmann, Peter Swaven, und sein Ordensbruder Pegelsteiner begleiteten ihn. Unterwegs wurde er meistens in den Städten, besonders in Erfurt, feierlich empfangen und er predigte an verschiedenen Orten vor brechend vollen Kirchen. Am 16. April, vormittags um 10 Uhr, fuhr Luther in Worms ein. Sein Eintreffen erregte ungeheures Aufsehen. Alle wollten den kühnen Mönch sehen, der so unerschrocken gegen den Papst aufgestanden war. Beim Aussteigen aus dem Wagen sagte Luther: „Gott wird mit mir sein!“ Viele vornehme Herren suchten ihn in seinem Quartier auf, um ihn persönlich kennen zu lernen.
Am Abend des 17. April musste er vor dem Reichstag erscheinen. Wegen der Menge an Neugierigen in den Straßen führte man ihn auf Seitenwegen dorthin. Als Rechtsbeistand erhielt er den Wittenberger Juristen Schurf. Beim Eintreten in den Saal soll der Reichshauptmann Georg von Frundsberg zu ihm gesagt haben: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen Gang, einen solchen Stand zu tun, dergleichen ich und mancher Oberste auch in unser allerernstesten Schlachtordnung nicht getan haben; bist du auf rechter Meinung und deiner Sache gewiss, so fahre in Gottes Namen fort und sei nur getrost! Gott wird dich nicht verlassen.“ Das ermutigte Luther und sein Gott verließ ihn nicht. – Der kurfürstliche Beamte aus Trier führte das Wort und fragte ihn vor dem versammelten Reichstag, ob er die Bücher auf einer Bank neben ihm als die seinigen erkennen und ihren Inhalt widerrufen wollte. Auf solch ein vereinfachtes und schnelles Verfahren war er nicht gefasst und bat in diesen hohen, das Gewissen und der Seelen Seligkeit betreffenden Sachen um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Diese wurde ihm gewährt. – Am Donnerstag, den 18. April, wurde er wieder durch den kaiserlichen Herold vorgeführt und musste wieder zwei Stunden auf die Verhandlung warten. Er war aber getrost und guter Laune, nachdem er sich durch anhaltendes Gebet gestärkt hatte. Diesmal lautete die Frage, die der Beamte an ihn richtete, ob er seine Bücher alle verteidigen oder etwas von ihnen zurücknehmen wolle. Luther antwortete zuerst lateinisch, dann auf deutsch in festem, bescheidenem Tonfall in einer längeren Rede: er müsse unter seinen Büchern drei Klassen unterscheiden: in einigen habe er vom christlichen Glauben und guten Werken so schlicht, einfach und christlich geschrieben, dass auch seine Gegner sie als nützlich und gut anerkennen müssten: die könne er doch nicht widerrufen. Andere seien gegen das Papsttum und die Papisten gerichtet, als die mit ihren bösen Lehren und ihrem schlechten Vorbild die Christenheit an Leib und Seele verwüstet hätten, dazu der deutschen Nation Hab und Gut verschlängen; auch die könne er nicht widerrufen; denn durch einen Widerruf würde er ihr unchristliches Wesen nur stärken. Die dritten seien gegen einzelne Personen gerichtet; er habe da zum Teil schärfer geredet, als es sich gezieme, weil jene die päpstliche Tyrannei verteidigt hätten und die evangelische Lehre haben vernichten wollen. Aber die Lehre, die er in diesen Büchern beschrieb, könne er auch nicht widerrufen. Es handele sich auch nicht um sein Leben, sondern um seine Lehre. Er sage mit dem Herrn Jesus Christus: habe er übel geredet, so möge man mit evangelischen (d.h. Schriften des Evangeliums) und prophetischen Schriften beweisen, dass es unrecht sei. Zuletzt warnte er bescheiden, doch als rechter Zeuge Gottes, die kaiserliche Majestät möge doch nicht durch Verdammung des Wortes Gottes Unheil über die deutsche Nation bringen.
Diese seine unerschrockene Antwort mit ihrer ernsten Gewissensmahnung gefiel dem Kaiser und den Papisten nicht. Der wortführende Beamte verlangte „eine runde Antwort ohne Hörner“, ob er widerrufen wolle oder nicht, man wolle nicht erst lange mit ihm disputieren, da viele seiner Sätze auf dem Konzil in Konstanz verdammt worden seien. Darauf entgegnete Luther, weil man eine schlichte Antwort begehre, so wolle er eine geben ohne Hörner und Zähne: Er glaube weder dem Papst noch den Konzilen allein, weil es allgemein bekannt sei, dass sie oftmals sich geirrt hätten; darum, es sei denn, dass er mit klaren Sprüchen der Heiligen Schrift überwunden werde, sonst könne er nicht widerrufen, sintemal er mit seinem Gewissen in Gottes Wort gefangen und es nicht geraten sei, etwas wider das Gewissen zu tun. Noch einmal drängte ihn der Beamte zum Widerruf. Da antwortete Luther in unerschütterlicher Überzeugung: „Hier stehe ich; ich kann nicht anders; Gott helfe mir! Amen.“
Nun führte man ihn hinaus und die Deutschen wurden unruhig in der Meinung, man nähme ihn gefangen. Aber Luther erklärte beruhigend, sie würden ihn nur begleiten. Seine Worte hatten einen tiefen Eindruck hinterlassen bei Freund und Feind. „Wohl hat der Vater Martinus geredet vor dem Herrn Kaiser und allen Fürsten und Ständen des Reiches in Latein und Deutsch; er ist mir viel zu kühne!“ sagte sein Kurfürst später zu Spalatin. Bekannt ist auch, dass der papistisch gesinnte Herzog Erich von Braunschweig Luther durch einen Krug Bier erfrischen ließ, während der Verhandlung. In der Herberge hob Luther die Hände dankbar und freudig zum Himmel auf und rief: „Ich bin hindurch! Ich bin hindurch!“ Seinem Freund Spalatin erklärte er: auch wenn er tausend Köpfe hätte, ließ er sich eher alle abschlagen, als dass er einen Widerruf täte.
Dazu wollte man ihn in den nächsten Tagen noch durch gütliche Vorstellungen in Privatverhandlungen vor dem Kurfürsten von Trier bewegen, aber vergebens. Er wandte Gamaliels Urteil (Apostelgeschichte 5,38-39)2 auf seine Sache an (ein Wort, das sich an dem Werk der Reformation bis heute bewahrheitet hat) und bat, man möge ihn doch bald wieder nach Hause ziehen lassen. So entließ man ihn unter der Bedingung, dass er innerhalb von 21 Tagen wieder in Wittenberg wäre und unterwegs das Volk nicht erregte. Der kaiserliche Herold Kaspar Sturm begleitete ihn wieder. Am Freitag nach Jubilate, am 26. April, verließ er Worms, wo er sich den unvergänglichen Ruhm eines unerschrockenen Zeugen um die Wahrheit des Wortes Gottes und des Evangeliums erworben hat.
Als er abgereist war, auch sein Kurfürst, der Kurfürst von der Pfalz und verschiedene andere Reichsstände schon nicht mehr anwesend waren, beschloss der unvollständige Reichstag auf Drängen des päpstlichen Legaten ein Edikt gegen Luther und seine Lehre, welches ihn, „den bösen Feind in Gestalt eines Menschen mit einer Mönchskutte“, wie man ihn nannte, in die Acht des Reiches3 tat: dass ihn Niemand hausen, höfen, ätzen, tränken, noch enthalten, sondern Jedermann, der ihn träfe, ihn gefänglich einziehen und an kaiserliche Majestät abliefern sollte. Seine Bücher sollten aus aller Menschen Gedächtnis ausgelöscht werden. Das geschah am 25. Mai und das Edikt trug später das falsche Datum vom 8. Mai 1519. Aber Jesaja sagt: „Beschließt einen Rat, und es werde nichts daraus; beredet euch, und es bestehe nicht; denn hier ist Immanuel.“ (Jesaja 8,10) Luther war längst in Sicherheit. Wo? Das werden wir im nächsten Kapitel sehen.
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