Und an ihrer Stirn geschrieben einen Namen, ein Geheimnis: Die große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden.
Der Grund zu der Reise Luthers nach Rom, die er im Jahr 15111 in Begleitung eines Ordensbruders unternahm, waren Ordensangelegenheiten der Augustinermönche. Mit frommer Pilgerandacht näherte er sich der Hauptstadt der Christenheit und als er sie erblickte, fiel er auf die Erde nieder mit den Worten: „Sei mir gegrüßt, du heiliges Rom!“ Vier Wochen hielt er sich dort im Kloster Maria del Populo auf und „lief“, wie er selbst sagt, „durch alle Kirchen und Klüfte und glaubte alles, was daselbst erlogen und erstunken ist. Ich habe auch wohl eine Messe oder zehn zu Rom gehalten, und war mir dazumal sehr leid, dass mein Vater und meine Mutter noch leben; denn ich hätte sie gerne aus dem Fegefeuer erlöst mit meinen Messen und anderen trefflichen Werken und Gebeten mehr. Es ist zu Rom ein Spruch: „Selig ist die Mutter, deren Sohn am Sonnabend zu St. Johannes eine Messe hält!“ Wie gerne hätte ich da meine Mutter selig gemacht! Aber es war zu drange und konnte nicht hinzukommen und aß einen rustigen Häring dafür.“ In Rom sollte sich die Treppe befinden, die einst vor dem Richthaus des Pilatus in Jerusalem war, und wer auf den Knien ihre Stufen hinaufrutschte, dem war reicher Ablass für seine Sünden und Versöhnung mit Gott verheißen. Luther wollte sich diese Gelegenheit zur Befestigung seines Gnadenstandes nicht entgehen lassen, obwohl er schon zur Erkenntnis der Glaubensgerechtigkeit gelangt war. Aber während er andächtig jene angeblich so verdienstvolle Zeremonie vollzog, rief ihm eine innere Stimme drohend und strafend zu: „Der Gerechte wird seines Glaubens leben!“2
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Luthers Reise nach Rom (1511) |
So mischte sich in Luther damals noch mit seiner inneren evangelischen Heilserkenntnis die von Jugend auf gewohnte und seinem treuen, naiven Gemüt so nahe liegende Verehrung für die päpstliche Kirche und ihre Satzungen. Ein deutlicher Beweis, dass er sich nicht selbst zum Reformator erhoben hat sondern von Gott dazu bestimmt und berufen ist. Er ist nicht aus Feindschaft gegen Rom zu seiner Lehre gekommen, sondern er ist durch seine Erkenntnis „allein aus Glauben“3,4 zur Feindschaft gegen Rom gekommen und musste er kommen. Rom sorgte selbst dafür, dass sich dieses treue deutsche Gemüt entfremdete. Schon unterwegs in einem Benediktinerkloster hatte sich Luther über die Schwelgerei (Prasserei) der Mönche und ihre Nichtachtung der kirchlichen Fastengebote geärgert. In Rom aber musste er noch ganz andere Dinge sehen und hören. Da spotteten die Priester über seine Andacht beim Messehalten, die ihnen viel zu lange dauerten. „Sie konnten‘s fein rips-raps!“ sagt Luther, waren schon fertig, wenn er kaum angefangen hatte und riefen ihm dann zu: „Passa, passa, komm davon! Schick doch unserer Frauen (der Jungfrau Maria) ihren Sohn wieder heim!“ Da sprachen hochgestellte Geistliche, die zum päpstlichen Hof gehörten, am Tisch offen ihren Unglauben aus, machten gotteslästerliche Witze und erzählten ohne Scham, dass sie während der Messe bei der Weihe von Brot und Wein sprächen: „Panis es et panis manebis“, Brot bist du und Brot wirst du bleiben! „Vinum es et vinum manebis“, Wein bist du und Wein wirst du bleiben! „Buon christiano“, ein guter Christ! So sagte man höhnisch von einem Menschen, der noch so dumm sei, die christliche Wahrheit zu glauben. Besonders wandte man diesen Namen gern auf die „einfältigen, trunkenen Deutschen“ an, wie sie in Italien genannt wurden. Die Sittenlosigkeit unter der Geistlichkeit Roms war damals unbeschreiblich. Auf dem päpstlichen Stuhl saß Julius II. (von 1503-1513), ein gewaltiger Kriegsmann, aber der ungeistlichste Mensch, den man sich denken konnte. Er leitete persönlich die Eroberung von Städten und fluchte im Lager wie ein Landsknecht (Soldat). Daher kommt das Sprichwort: „Je näher Rom, je ärgere Christen!“ „Wer das erste Mal gen Rom gehet, der suchet einen Schalk; zum anderen Mal findet er ihn; zum dritten Mal trägt er ihn mit heraus.“ Darum sprach Luther später: „Ich wollte nicht 100 000 Gulden dafür nehmen, dass ich nicht auch Rom gesehen hätte; ich müsste sonst sorgen, ich täte dem Papste Unrecht; aber was wir sehen, das reden wir.“
Gott hatte auch bei dieser Reise seine Absichten mit seinem Knecht. Sie sollte ihm, dem gemütvollen Mann, dem treuen Sohn der päpstlichen Kirche, den Bruch mit ihr erleichtern, den wir nun im folgenden Abschnitt beleuchten.
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