.info > Reformation > Dr. Martin Luther - Sein Leben und Wirken

Durchbruch zur evangelischen Heilserkenntnis und Übersiedlung nach Wittenberg.

Und er führte mich aus ins Weite. Er riss mich heraus; denn er hatte Lust zu mir. - Dass aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar; denn „der Gerechte wird seines Glaubens leben.“

Psalm 18,20 und Galater 3,11

Luther wird zum Priester geweiht (1507)

Luther wird zum Priester geweiht (1507)

So hatte nun Luther das „feine, grausame, göttliche“ Leben des Klosters, wie er es sich als Arznei für seine stürmisch bewegte Seele dachte. Aber die Ruhe wollte auch in den stillen Klostermauern nicht in sein Herz kommen. Zunächst war es ein großer Schmerz für ihn, dass sein Vater wirklich auf das Heftigste über seinen Schritt erzürnt war, ihm seine väterliche Zuneigung entzog und ihn nicht mehr als Sohn anerkannte. Doch hierüber tröstete ihn ja die Kirche: er dürfe sich das in einer so heiligen Sache nicht anfechten lassen. Später, als dem alten Hans Luther zwei Söhne an der Pest starben und das Gerücht zu ihm nach Mansfeld kam, auch Martinus sei im Kloster gestorben, ließ er sich erweichen, doch noch nachträglich seine Einwilligung zu geben, obwohl nur mit Widerstreben. 1507 kam er sogar mit einem stattlichen Gefolge von 20 Pferden zum Fest der Priesterweihe seines Sohnes ins Kloster. Als während der Feier man ihm über den Tisch seinen anfänglichen Widerspruch als ein Unrecht auslegen wollte, antwortete er mit Recht den anwesenden geistlichen Herren: „Ihr Gelehrten, habt ihr nicht gelesen, dass man Vater und Mutter ehren soll?“

Was tat nun Martin Luther als Mönch? Zunächst musste er in seinem Probejahr die niedrigsten Dienste verrichten zur Demütigung seines alten Menschen und zur Übung im Gehorsam. Ebenso wurde er vom Kloster zum Betteln geschickt, denn der Orden der Augustiner war ein sogenannter Bettelorden, der von Almosen lebte. So ging nun der frühere Magister, statt seine ihm so lieben Studien zu treiben, mit dem Bettelsack durch die Stadt, Brot, Eier, Würste und dergleichen einzusammeln, bis sich die Universität für ihn einsetzte, dass man ihm das Terminieren (so nannte man dies Betteln) erlassen sollte. Nun konnte er nach seinem Wunsch Theologie studieren und in der Bibel des Klosters täglich forschen. Vor allen Dingen aber beschäftigte sich Luther mit den eigentlichen Mönchswerken, die in besonderem Maß die Heiligkeit und die Verdienste des Mönchslebens ausmachten: Fasten, Rosenkranz beten, die Heiligen anrufen, seinen Leib kasteien (Mangel leiden), beichten, Büßung leisten. Täglich wurden die 7-8 Horen („die Zeiten“) oder Gebetsstunden verrichtet und jedes Mal hatte er 25 Vaterunser und Ave Maria zu sprechen (vgl. dazu Matthäus 6,7)1.Zum besonderen Schutzheiligen erwählte er sich den Drachentöter, Ritter St. Georg, und daneben die heilige Anna und den heiligen Thomas, die er außerdem leidenschaftlich anrief. Wöchentlich gebrauchte er das Sakrament der Buße, beichtete und erhielt die Absolution (Freisprache von Sünden).Als er am 2. Mai 1507 zum Priester geweiht worden war und von da an die Messe halten durfte, versäumte er dies keinen Tag. In alles aber legte dieser feurige Mann der Tat, dem mit rechtem Ernst das Himmlische allezeit in seiner ganzen Wahrheit vor Augen stand, sein ganzes Herz. Bei allem war er mit ganzer und voller Seele, alles war ihm eine Gewissenssache. „Das will und mag ich mit Wahrheit rühmen, dass jetziger Zeit kein Papist mit solchem Gewissen und Ernst Papist ist, als ich gewest bin. Denn was jetzt päpstlich ist, das ist nicht um Gottesfurcht willen, wie ich armer Tropf gewest bin!“ schrieb er selbst 1539. Bekannt ist sein Wort: „Wahr ist’s, ein frommer Mönch bin ich gewesen und hab so strenge meinen Orden gehalten, dass ich’s sagen darf: Ist je ein Mönch durch Möncherei in den Himmel gekommen, so wollte ich auch hineingekommen sein. Ich hätte mich, wo es länger gewährt hätte, schier zu Tode gemartert mit Wachen, Beten, Lesen und anderer Arbeit.“

Luther wird durch den tröstenden Zuspruch eines alten Klosterbruders neu gestärkt

Luther wird durch den tröstenden Zuspruch eines alten Klosterbruders neu gestärkt

Aber „was zählt ihr Geld dar, da kein Brot ist, und eure Arbeit, da ihr nicht satt von werden könnt!“ (Jesaja 55,2). Luther mühte sich ab, auf dem Weg des Gesetzes vor Gott gerecht zu werden, und musste erfahren, dass durch das Gesetz nur umso mehr Erkenntnis der Sünde kommt und sich „Zorn und große Not erhebt, da man es nicht kann halten“. Zu zart war sein Gewissen, als dass er nicht seine Sündhaftigkeit bei all den guten Werken auf das Tiefste empfunden hätte. Was andere kaum als Sünde ansahen, das bekannte er in der Beichte mit großem Ernst und trotzdem konnte er den Trost der Absolution (Vergebung) nicht fassen. Nie konnte ihm seine Reue genügen, von der die Kirche die Vergebung der Sünden abhängig machte. Er fühlte auf das Lebendigste, dass er nicht bloß Sünde tat, sondern dass er, durch und durch, ein Sünder war und trotz aller Bemühungen fromm zu werden, es blieb. Er konnte es nicht mit dem Herzen fassen, dass solche Mönchswerke Gott angenehm seien, Sünde tilgen und den Menschen gerecht machen könnten. Er fühlte bei allem frommen Eifer das innere Widerstreben unserer erbsündlichen Natur gegen Gott und das Göttliche. Seine Gebete kamen leer zurück. Er wurde allmählich dem Gott feind, der uns unerfüllbare Gesetze auferlegt und durch sie unsere Ohnmacht zu verhöhnen scheint. Er glaubte sich in seinen Anfechtungen von Gott zur Verdammnis vorherbestimmt. Die Lehre von der absoluten Prädestination, d.h. von der Vorherbestimmung Einiger zur Seligkeit und Anderer zur Verdammnis quälte ihn. Seinen damaligen verzweifelten Seelenzustand beschreibt er im Lied: „Nun freut euch, lieben Christen, g’mein“ in Vers 2 und 3. Es war so mit ihm, wie er dort sagt: „Die Angst mich zum Verzweifeln trieb, Dass nichts denn Sterben bei mir blieb; Zur Höllen musst‘ ich sinken.“

Aber hatte er nicht die Bibel? Er hatte sie und las sie mit glühendem Eifer. Es machte den tiefsten Eindruck auf ihn, wenn er z.B. bei Hesekiel (33,11)2 las, dass Gott nicht den Tod des Sünders will. Aber dann sprachen wieder andere Stellen von der flammenden Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, und er konnte den Trost nicht festhalten. Er hatte aber den Kern der Schrift noch nicht erfasst, von dem allein aus man sie recht versteht: dass Christi Verdienst und Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit vor Gott ist. Dazu half ihm ein Wort seines alten Novizenmeisters, „eines feinen alten Mannes“, der den jungen Mönchen vorstand. Der wies ihn in der Anfechtung auf das Wort im apostolischen Glaubensbekenntnis hin: „Ich glaube an eine Vergebung der Sünden“. Diesen Artikel legte er so aus: Es sei nicht genug im Allgemeinen zu glauben, dass vielen vergeben werde, wie auch die Teufel glauben, dass dem David oder Petrus vergeben sei, sondern das sei Gottes Wille, dass Jeder glaube, dass ihm vergeben werde. Gott habe befohlen, zu glauben und zu hoffen. Dies Wort „befohlen“ gab Luther besonderen Trost. Er konnte von nun an dem Wort der Absolution fester trauen. Zugleich wies jener ihn auf eine Predigt des frommen Kirchenlehrers Bernhard von Clairvaux hin, in der er das Wort des Paulus anführt: „dass der Mensch aus Gnade gerecht wird durch den Glauben“. Dies Wort schlug in Luthers Seele ein. Der Bann war gebrochen. Er vertiefte sich in seine geliebte Heilige Schrift, besonders in die Briefe des Apostels Paulus an die Römer und an die Galater. Mit einem Male verstand er, was Paulus meint, wenn er in Römer 1,173 sagt: dass im Evangelium geoffenbart wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die aus Glauben in Glauben kommt, wie denn geschrieben steht: Der Gerechte wird seines Glaubens leben. Nun war es ihm als wenn ihm Schuppen von den Augen gefallen sind, und er erkannte, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht eine menschliche Gerechtigkeit ist, die wir mit Werken schaffen und erwerben könnten, sondern Christi Gerechtigkeit, die Gott dem Glauben zurechnet aus Gnade, ohne Verdienst. Er hatte den Grund gefunden, der von nun an in allen Stürmen der Anfechtung nicht nur seinen Anker ewig hielt, sondern der das ganze Werk der Reformation getragen hat und jeden an Jesus Christus gläubigen Christen noch heute trägt4. Er war seines Heils gewiss geworden und wie sein großer Lehrer, der Apostel Paulus, aus der Knechtschaft des Gesetzes zur Freiheit des Evangeliums geführt worden, zu der er so vielen der Wegweiser werden sollte. In seinem Herzen war die Reformation geschehen, die nun auch die Kirche ergreifen sollte. Aber nicht von Erfurt aus, sondern von Wittenberg aus sollte das neue Licht aufleuchten.

Dass Luther nach Wittenberg kam, war der Verdienst eines Mannes, den wir hier noch besonders erwähnen müssen, des Generalvikars Johannes von Staupitz, der an der Spitze einer großen Anzahl deutscher Augustinerklöster stand. Er hatte sich schon in Erfurt mit väterlicher Liebe des jungen, eifrigen Mönchs angenommen und ihn durch seinen milden Zuspruch in mancher Anfechtung aufgerichtet. Er hatte Luther zum rechten Studium angespornt und ihn besonders aus dem gefährlichen Wahn herausgerissen, er sei von Gott zur Verdammnis vorherbestimmt. Mit kindlicher Liebe hing Luther an ihm und folgte seinem Rat bis er später der Lehrer seines früheren Lehrers wurde. Staupitz hatte neben der Stellung als Generalvikar eine einflussreiche Stellung an der Universität in Wittenberg. Die hatte der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, 1502 gestiftet und wünschte sie durch tüchtige Lehrer zu fördern. In diesem Bestreben stand ihm Staupitz zur Seite und schlug Martin Luther aus dem Erfurter Kloster als Lehrer der Philosophie für die neue Hochschule vor. Luther gehorchte dem Ruf seines Oberen und zog 1508 nach Wittenberg um, wo er mit einer kurzen Unterbrechung von 1,5 Jahren, die er nochmals in Erfurt zubrachte, bis an sein Lebensende gewirkt hat.

Luther predigt im Kloster vor Staupitz und den anderen Klosterbrüdern.

Luther predigt im Kloster vor Staupitz und den anderen Klosterbrüdern.

Aber Luther gefiel das Lehramt der Philosophie nicht. Er sehnte sich danach, den Studenten seine liebe Heilige Schrift zu erklären und die Theologie zu lehren. So wurde er 1509 Baccalaureus der heiligen Schrift und 1512 Doktor der Theologie. Sein Kurfürst und Landesherr, Friedrich der Weise, der schon durch eine Predigt Luthers auf ihn aufmerksam geworden war, bestritt für ihn die nicht unbeträchtlichen Kosten bei der Erlangung der Doktorwürde. Dieser ordentliche Berufsstand als Lehrer in der Kirche hat ihn später oft getröstet. Er hielt nun Vorlesungen über die Heilige Schrift und erklärte besonders die Psalmen, den Römerbrief und den Brief an die Galater. Sofort merkte man, dass in seinen Vorlesungen ein anderer Geist wehte, dass er aus innerer Erfahrung redete, dass er in der Heiligen Schrift lebte und von ihrem Geist erfüllt war. Er zeigte klar den Unterschied von Gesetz und Evangelium auf und lehrte von der rechten Buße, dem Glauben, der Vergebung der Sünde und vom Trost im Kreuz, statt sich in unfruchtbaren Spitzfindigkeiten zu ergehen, wie die bisherige Theologie. „Dieser Mönch wird alle Doktores irre machen und eine neue Lehre aufbringen und die ganze Kirche reformieren, denn er legt sich auf der Propheten und Apostel Schrift und stehet auf Jesu Christi Wort!“ so weissagte bereits zu Anfang seiner Lehrtätigkeit der Rektor der Wittenberger Universität, Martin Pollich von Mellerstadt, von ihm. Nach einer Theologie, die den Kern der Lehre erforscht, suchte er und eine solche lehrte er und die Studenten strömten ihm bald aus allen Teilen Deutschlands zu. Daneben leitete er die Studien der Mönche im Wittenberger Augustinerkloster, war Prediger an der Klosterkirche und vertrat auch den kranken Stadtpfarrer in seinem Amt an der Stadtkirche. In der Fastenzeit 1517 predigte er z.B. zweimal täglich neben seinen Vorlesungen an der Universität. Zusätzlich hatte er das Amt eines Distriktvikars und war damit Vorsteher für 11 Klöster des Augustinerordens in Meißen und Thüringen. Aus dieser Zeit sind noch viele Briefe erhalten, in denen er die ihm unterstellten Mönche aus dem Evangelium berät und tröstet. So lag eine große Arbeitslast auf seinen Schultern, aber er bewältigte sie frisch und freudig, seitdem es durch den Glauben an die freie, unverdiente Gnade Gottes in Christus in seiner Seele hell und in seinem Herzen ruhig geworden war. Er hatte seine herzliche Freude an dem Pflanzen und Bauen. Kein Gedanke kam ihm daran, dass er eigentlich innerlich schon außerhalb der päpstlichen Kirche stand, dass der Papst das Evangelium, wie er es so freudig lehrte, nicht gut heißen würde und er sich später von ihm trennen werden muss. Er hing noch mit großer Verehrung an dem Oberhaupt der Kirche, und hatte bisher seinen Blick wenig auf das in dieser damals herrschende Verderben gerichtet, obwohl es ihm auf einer Reise nach Rom grell genug entgegengetreten war. Diese Reise, die später für Luther so wichtig wurde, betrachten wir in einem eigenen Kapitel.

 


Inhalt

Wie Martin Luther von Gott zum Reformator der Kirche vorbereitet wurde.
Elternhaus. Geburt. Jugenderziehung.
Eintritt in das Kloster in Erfurt.
Durchbruch zur evangelischen Heilserkenntnis und Übersiedlung nach Wittenberg.
Reise nach Rom. 1511.
Wie Martin Luther das Werk der Reformation begann.
Der Ablass. Tetzel. Die 95 Thesen.
Römische Nachstellungen. Cajetan. Miltitz.
Drei Zeugnisse vom Evangelium gegen Rom.
Im Bann des Papstes.
Der Reichstag zu Worms.
Wie Martin Luther die Reformation der Kirche in den rechten Bahnen erhielt und weiterführte.
Auf der Wartburg.
Die Schwärmer in Wittenberg und der Aufstand der Bauern.
Luther tritt in die Ehe ein.
Der Reichstag in Augsburg (1530) und Luther auf der Coburg.
Der Tag zu Schmalkalden, 1537.
Martin Luther als Lehrer und Vorbild.
Luther, der treue Untertan weltlicher Obrigkeit.
Luther, der Bibelübersetzer und Volksschriftsteller.
Luther, der Sänger und Liederdichter.
Luther, der Freund der Schule.
Luther, der Hausvater und Christ in Freud und Leid.
Wie Martin Luther selig in dem Herrn heim ging.

Anmerkungen

  1. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viel Worte machen. (Matthäus 6,7)
  2. So wahr als ich lebe, spricht der Herr, HERR, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. So bekehret euch doch nun von eurem bösen Wesen. Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? (Hesekiel 33,11)
  3. Sintemal darin offenbart wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: „Der Gerechte wird seines Glaubens leben.“ (Römer 1,17)
  4. Der Originaltext lautete hier: „… sondern der das Werk der Reformation getragen hat und unsere teure lutherische Kirche noch heute trägt.“

Quelle

Ernst Haack (1883)
Dr. Martin Luthers Leben und Wirken.
Motto: Gottes Wort und Luthers Lehr‘ vergehen nun und nimmermehr. Eine Preisschrift, gekrönt und herausgegeben zum 10. November 1883, dem 400 jährigen Geburtstag des großen Reformators, vom Evangelischen Preßverein in Schlesien.
Breslau, 1883. In Commission bei C. Dülfer
 
Gustav König (Bild um 1900)
Dr. Martin Luther der deutsche Reformator in bildlichen Darstellungen
Verlag von Keuther & Reichard, vermutlich um 1900
 

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