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Wie Martin Luther selig in dem Herrn heim ging.

Die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück; und die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern. – Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.

Jesaja 57, 1+2 und Lukas 2,29+30

Beide Sprüche, die wir über diesen Abschnitt setzen, passen so recht auf das gottselige Ende Luthers. Über die Jesaja-Stelle hat ihm nach seinem Tod der Pfarrer von Mansfeld, Michael Caelius, eine Leichenpredigt gehalten. – Schwere Wolken zogen sich über den evangelischen Ständen Deutschlands zusammen. Alle Vergleichs-Verhandlungen zwischen Evangelischen und Katholischen Anfang der vierziger Jahre hatten nichts genützt. Der Kaiser rüstete nun seit 1545 wirklich offen zum Krieg gegen den Schmalkaldischen Bund. Es sollte im Schmalkaldischen Krieg 1546 und 1547 um des Evangeliums willen in Deutschland zum Blutvergießen kommen, was Luther mit aller Macht zu verhindern versucht hatte. Diesen Jammer sollte der treue Knecht nicht mehr mit ansehen. Darum eilte Gott mit ihm aus dem Leben. Er sollte im Frieden sterben und zwar dort, wo seine Wiege gestanden hatte und sein letztes Lebenswerk auf Erden ein Friedenswerk war.

Luther sehnte sich schon lange nach seinem Abscheiden. Er fühlte sich krank, matt und verbraucht. Dazu machte es ihm viel Kummer, dass die Lehre des Evangeliums im Leben nicht gleich die guten Früchte bringen wollte, die er erhoffte, und dass in Wittenberg selbst nach wie vor mancherlei Zuchtlosigkeit und Laster besonders in der Studentenschaft vor sich ging. Er eiferte oft auf das Heftigste dagegen, wollte einmal Wittenberg ganz verlassen und konnte nur durch das Eingreifen des Kurfürsten und auf Bitten der Universität bewogen werden, zurückzukehren. Oft spricht er in Briefen seine Todesbereitschaft aus: „Ich bin ein alter Mann und nichts mehr nütze. Ich habe meinen Lauf vollendet; es ist nur noch übrig, dass mich Gott zu meinen Vätern versammelt und der Verwesung und den Würmern ihr Teil gibt. Ich habe mich satt gelebt, wenn’s ein Leben heißen kann. Bitte du für mich, dass die Stunde meines Abschieds Gott gefalle und mir zum Heil diene“, schreibt er an einen Freund, und als er am 17. November 1545 seine letzte Vorlesung an der Universität über das 1. Buch Mose schloss, tat er dies mit den Worten: „Das ist nun die liebe Genesis. Unser Herr Gott gebe, dass andere nach mir besser machen; ich kann nicht mehr, ich bin schwach. Bittet Gott für mich, dass er mir ein gutes, seliges Stündlein verleihe!“ Seine letzte Predigt in Wittenberg hielt er am 2. Sonntag nach Epiphanias, 17. Januar 1546. Am 23. Januar verließ er dann die Stadt, die er lebend nicht wieder sehen sollte, um eine Reise in seine Geburtsstadt Eisleben zu machen.

Die Grafen von Mansfeld, denen Eisleben gehörte, waren wegen verschiedener Rechte, besonders wegen des Kirchenpatronats, in Streit geraten und hatten sich schließlich dahingehend geeinigt zur Vermittlung Luther anzurufen. Luther war auch gleich bereit seinem engeren Vaterland mit seinen letzten Kräften zu dienen und hatte schon im Herbst und um Weihnachten 1545 zwei vergebliche Reisen nach Mansfeld gemacht. Nichtsdestoweniger wollte er jetzt einen letzten Versuch machen, die Sache zu Ende zu führen. Am 25. Januar kam er in Halle an und kehrte bei seinem Freund Justus Jonas ein, der hier Pfarrer und Superintendent geworden war, als die Stadt 1541 die Reformation annahm. Weil die Saale über die Ufer getreten war, konnte er nicht weiterkommen und musste hier drei Tage verweilen. Am 26. Januar predigte er noch einmal über Apostelgeschichte 9,1-19 (Die Bekehrung des Saulus). Beim vertrauten Zusammensein mit seinen Freunden sprach er ahnungsvoll in seiner gemütsvollen, Scherz und Ernst vereinigenden Weise: „Lieben Freunde, wir sind mächtige, gute Gesellen; wir essen und trinken miteinander, es wird aber auch einmal Sterbens geben. Ich ziehe jetzt dahin nach Eisleben, will die Grafen von Mansfeld, meine Landesherren, helfen vertragen. Nun kenne ich die Leute, wie sie gesinnt sind. Da Christus den himmlischen Vater und das menschliche Geschlecht versöhnen und vertragen wollte, kriegte er Scheidens Teil davon, musste darüber sterben. Gott gebe, dass es mir auch so gehe!“ Am 28. Januar setzte er seine Reise fort und fuhr nicht ohne Gefahr mit Jonas, seinen beiden Söhnen Paul und Martin, und seinen Gehilfen über die noch immer angeschwollene Saale. An der Grenze zu Mansfeld nahmen ihn 113 Reiter in Empfang. Kurz vor Eisleben überfiel ihn eine solche Schwäche, dass man um sein Leben fürchtete, weil er eine Strecke zu Fuß gegangen und dann im Wagen kalt geworden war. Doch stellte ihn reiben mit warmen Tüchern wieder her.

Es gelang ihm diesmal wirklich, nach schwierigen und verwickelten Verhandlungen, bei denen er besonders über die Juristen klagte, den Vergleich zu allseitiger Zufriedenheit abzuschließen und dabei auch für die Einkünfte der Kirchen und Schulen reichlich zu sorgen. Im Ganzen war er drei Wochen lang in Eisleben und predigte trotz seiner Kränklichkeit noch viermal, zuletzt am Sonntag Septuagesimä, 14. Februar. Seine letzten Worte auf der Kanzel waren: „Das und viel mehr wäre von diesem Evangelium zu sagen, aber ich bin zu schwach; wir wollen es hierbei bleiben lassen. Der liebe Gott gebe Gnade, dass wir sein teures Wort mit Danksagung annehmen, in Erkenntnis und Glauben seines Sohnes, unseres Herrn Jesu Christi, zunehmen und wachsen und im Bekenntnis seines seligen Wortes beständiglich bleiben bis an das Ende! Amen.“ Auch empfing er zweimal während dieser Zeit die Absolution und das Heilige Abendmahl. An demselben 14. Februar sprach er in einem Brief an seine Käthe die Hoffnung aus noch in der Woche wieder heimzukehren nach Wittenberg. Doch Gott hatte ihm die Heimkehr in seine himmlische Heimat bestimmt.

Am 17. Februar fühlte er sich schon am Morgen so schlecht, dass er gegenüber Jonas die Ahnung aussprach, er werde wohl in Eisleben bleiben. Gegen Abned klagte er besonders über starken Druck auf der Brust und ließ sich mit warmen Tüchern reiben, ging aber doch noch in das Speisezimmer zur gemeinschaftlichen Abendmahlzeit, war während des Essens heiter und sprach noch manches gottselige Wort. Nach dem Abendessen aber, nachdem er wie gewöhnlich unter dem Fenster stehend sein Abendgebet gesprochen hatte, wurde ihm sehr weh und angst. Man rieb ihn wieder mit warmen Tüchern und gab ihm ein vom Grafen Albrecht von Mansfeld selbst herbeigebrachtes Arzneimittel. Danach wurde ihm etwas besser und er schlief 1 ½ Stunde lang auf einem ledernen Ruhebett in seinem Zimmer. Später konnte er noch unter Gebet in seine Schlafkammer gehen und fand dort in seinem Bett bis 1 Uhr Nachts ruhigen Schlaf. Da traten die Beklemmungen wieder auf. Er stand auf, ging wieder in seine Stube und legte sich auf das Ruhebett. Man rieb ihn erneut mit warmen Tüchern worauf er in Schweiß geriet. Seine Freunde sahen dies für ein günstiges Zeichen an. Er aber sprach: „Es ist ein kalter, toter Schweiß; ich werde meinen Geist aufgeben!“ Nun fing er an, Gott zu danken, dass er ihm seinen lieben Sohn geoffenbart habe, den die Gottlosen schänden und befahl seine Seele in Gottes und Christi Hände. Dazu sprach er biblische Worte, besonders den Spruch Johannes 3,16: Also hat Gott die Welt geliebt usw. und Psalm 68,21. Nachdem ihm der Mansfelder Hofprediger Michael Caelius noch einen Löffel voll Arznei gegeben hatte, sprach er dreimal schnell hintereinander die Worte: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Dann wurde er still und schloss die Augen. Als ihm Jonas und Caelius ins Ohr riefen: ob er auf die Lehre, die er gepredigt hat, beständig bleiben wolle, antwortete er noch vernehmlich mit „Ja“. Dann wandte er sich auf die rechte Seite und entschlief sanft zum ewigen Leben. Es war am Donnerstag, dem 18. Februar 1546, früh zwischen 2 und 3 Uhr. In seinem Sterbezimmer waren außer Jonas und Caelius noch seine beiden Söhne Paul und Martin, der Theologe Johann Aurisaber aus Weimar, der Graf Albrecht von Mansfeld mit seiner Frau, ein Graf von Schwarzburg mit seiner Frau, der Stadtschreiber von Eisleben mit seiner Frau, Luthers Wirtsleute und zwei Ärzte. Alle diese waren Zeugen seines gottseligen, friedlichen Endes und wollten zuerst kaum glauben, dass er verschieden sei. So sanft war er entschlafen.

Eine unglaubliche Trauer ging durch das ganze evangelische Deutschland, als sein Tod bekannt wurde. Am meisten trauerten die Stadt und Universität Wittenberg mit dem frommen Kurfürsten an der Spitze. Melanchthon rief dem Verstorbenen nach, wie Elisa dem Elias: „Ach, dahin ist der Wagen Israels und seine Reiter“ (2. Könige 2,12). Bis zum 20. Februar blieb die Leiche Luthers in Eisleben, wo Jonas und Caelius Gedächtnispredigten hielten. Dann wurde sie in einem feierlichem Zug über Halle nach Wittenberg überführt. Zwei Grafen von Mansfeld mit 45 Pferden geleiteten sie. Überall, wohin man kam läuteten die Glocken, folgte Jung und Alt unter vielen Tränen. Am 22. Februar kam die Leiche in Wittenberg an und wurde von der Universität, dem Rat und der Bürgerschaft am Elstertor empfangen. Nie hatte man so viele Menschen in Wittenberg gesehen. Unmittelbar hinter dem Sarg folgte Luthers trauernde Witwe mit den Kindern in einem Wagen. In der Schlosskirche hielt Bugenhagen die Leichenpredigt über 1. Thessalonicher 4,13ff (Von der Auferstehung der Toten) und Melanchthon als Vertreter der Universität eine lateinische Rede zum Gedächtnis des großen Toten. Dann ließen dazu verordnete Magister den Sarg in der Kirche selbst, unweit der Kanzel ins Grab. Dort schläft unter einem einfachen Stein mit der Inschrift: „Hier ist der Leichnam Dr. Martin Luthers begraben“ der Staub des großen Gottesmannes bis zu seligen Auferstehung am jüngsten Tag.

Mag auch die sterbliche Hülle seines Geistes in Staub zerfallen sein, sein Geist ist noch unter uns in seinen Schriften. Sein Andenken lebt in der evangelischen Kirche, die seinen Namen trägt. Sein Bild ist in den Herzen aller evangelischen Christen eingeprägt und die Lästerungen seiner Feinde, die auch heute noch nicht aufgehört haben ihn zu schmähen, werden es nicht herausreißen. Mag seine Hand vermodert, mag sein Mund verwest sein, was er geschrieben und geredet hat veraltet und verwest nicht, denn es ist ewige Wahrheit, aus dem wahren Evangelium geschöpft.

Der in der Schlosskirche in Wittenberg begrabene Bettler ist zu Asche und Staub geworden. Sein Reichtum, sein Ruhm und seine Ehre aber ist Christus, derselbe Herr, der auch heute zu denen spricht, die Ihm gehören: „Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“

 


Inhalt

Wie Martin Luther von Gott zum Reformator der Kirche vorbereitet wurde.
Elternhaus. Geburt. Jugenderziehung.
Eintritt in das Kloster in Erfurt.
Durchbruch zur evangelischen Heilserkenntnis und Übersiedlung nach Wittenberg.
Reise nach Rom. 1511.
Wie Martin Luther das Werk der Reformation begann.
Der Ablass. Tetzel. Die 95 Thesen.
Römische Nachstellungen. Cajetan. Miltitz.
Drei Zeugnisse vom Evangelium gegen Rom.
Im Bann des Papstes.
Der Reichstag zu Worms.
Wie Martin Luther die Reformation der Kirche in den rechten Bahnen erhielt und weiterführte.
Auf der Wartburg.
Die Schwärmer in Wittenberg und der Aufstand der Bauern.
Luther tritt in die Ehe ein.
Der Reichstag in Augsburg (1530) und Luther auf der Coburg.
Der Tag zu Schmalkalden, 1537.
Martin Luther als Lehrer und Vorbild.
Luther, der treue Untertan weltlicher Obrigkeit.
Luther, der Bibelübersetzer und Volksschriftsteller.
Luther, der Sänger und Liederdichter.
Luther, der Freund der Schule.
Luther, der Hausvater und Christ in Freud und Leid.
Wie Martin Luther selig in dem Herrn heim ging.

Quelle

Ernst Haack (1883)
Dr. Martin Luthers Leben und Wirken.
Motto: Gottes Wort und Luthers Lehr‘ vergehen nun und nimmermehr. Eine Preisschrift, gekrönt und herausgegeben zum 10. November 1883, dem 400 jährigen Geburtstag des großen Reformators, vom Evangelischen Preßverein in Schlesien.
Breslau, 1883. In Commission bei C. Dülfer

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