Der Gottlose lauert auf den Gerechten und gedenkt ihn zu töten. (Ps. 10,8-10) Aber der HERR lässt ihn nicht in seinen Händen und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilt wird.
Der Papst nahm die Angelegenheit in Deutschland zuerst sehr leicht. „Bruder Martin sei ein schön Ingenium1!“ sagte er, und ein anderes mal: „Ein betrunkener Deutscher habe die Thesen geschrieben; wenn er wieder nüchtern sei, werde er anders denken!“ Seine Vorkämpfer Tetzel, Sylvester Prierias, der Magister des heiligen Palastes in Rom, und der Kölner Ketzermeister Hogstraaten, die in Schriften gegen Luther auftraten, führten des Papstes Sache allerdings so schlecht, dass Luther ein leichtes Spiel hatte, sie zu widerlegen und im Streit mit ihnen immer mehr das unbiblische Wesen des Ablasses und des Papsttums erkannte. Sie wollten den Ablass einfach durch die Gewalt des Papstes in der Kirche anzuordnen und zu lehren, was er wollte rechtfertigen. Demgegenüber berief sich Luther auf die Bibel als Quelle der christlichen Wahrheit. – Dagegen erklärte Dr. Johann Eck aus Ingolstadt, einst mit Luther eng verbunden und von jetzt an Luthers Hauptgegner unter den Papisten2, Luthers Thesen seien hussitische Ketzerei3, um ihn dadurch von vornherein bei jedem als Ketzer zu verdächtigen. Man hatte während des Konzils (großen Kirchenversammlung) in Konstanz 1415, auf dem man „die Kirche an Haupt und Gliedern reformieren“ wollte, den frommen Dr. Johann Hus aus Prag wegen seiner evangelischen Lehre als Ketzer verbrannt, besonders weil er im Abendmahl den Kelch auch für die Laien forderte und wie Luther lehrte, dass der Mensch ohne Verdienst allein durch die Gnade Gottes selig wird.
Als der Streit in Deutschland weiter ging, wurde man in Rom doch ungeduldig, setzte einen Ketzermeister ein, was Luthers Lehre selbstverständlich verurteilte und forderte ihn selbst auf am 7. August 1518, innerhalb von 60 Tagen, in Rom zur Verantwortung zu erscheinen. Rom hatte Kerker genug, um solche unbequeme Leute auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen. Deshalb verlangte die Wittenberger Universität, dass Luther in Deutschland vor Gericht gestellt werden sollte. Dem stimmte der Kurfürst Friedrich der Weise zu, bei dem Spalatin die Sache Luthers wohlwollend vertrat, und vereinbarte mit dem damals auf dem Reichstag in Augsburg anwesenden päpstlichen Legaten Kardinal Cajetan, dass dieser ihn in Augsburg verhören sollte. Luther ging zusammen mit seinem Ordensbruder Leonhard Bayer zu Fuß von Wittenberg nach Augsburg. Sein Freund Kestner in Weimar klagte, man werde ihn verbrennen, er aber sprach guten Muts: „Mit Kesseln ging es hin4, aber mit Feuer wär es zu heiß!“ Doch innerlich hegte er ähnliche Gedanken und dachte, was es für eine Schande für seine lieben Eltern sein werde, wenn er als Ketzer sterben würde. In der Tat hatte auch Cajetan geheimen Befehl gegeben, den Ketzer sofort zu verhaften, was er aber nicht ausführen konnte. Auch Friedrich der Weise war durch einen Brief des Papstes aufgefordert, „das Kind der Bosheit“, Luther, auszuliefern. Am 7. Oktober 1518 kam Luther in Augsburg an, aber seine Freunde ließen ihn erst zum Kardinal gehen, nachdem ihm Freies Geleit vom Kaiser zugesichert worden war. Der Kardinal verhandelte mit ihm von oben herab ohne selbst die Sache zu verstehen, und verlangte zuletzt einfach, er solle widerrufen, vor allem den Satz, dass Glaube zum segensreichen Empfang des Sakraments notwendig sei. „Widerrufe oder komme mir nicht wieder vor die Augen!“ Luther erklärte, die erkannte Schriftwahrheit nicht widerrufen zu können, appellierte übrigens in aller Rechtsform „von dem übel unterrichteten Papst an den besser zu unterrichtenden“ und verließ dann auf das Drängen seiner Freunde hin bei Nacht und Nebel durch eine kleine Pforte in der Mauer Augsburg. Nach einem elftägigen Ritt kam er am 31. Oktober 1518 wohlbehalten wieder in Wittenberg an und appellierte hier gleich am 28. November an ein Konzil (Kirchenversammlung), weil er einsah, dass der Papst in seiner Sache schon Partei ergriffen hatte. Cajetan aber schrieb an seinen Kurfürsten, er dürfe Luther nicht in seinem Land dulden. Luther dachte ernsthaft in diesen Tagen darüber nach, nach Frankreich zu gehen, wenn der Kurfürst ihn nicht mehr schützen wollte oder könnte. Er war im Bewusstsein der Wahrheit seiner Sache voll Mut und Gottvertrauen und antwortete schon in Augsburg einem Italiener, der ihn fragte, wo er denn bleiben wolle, wenn ihn nun der Kurfürst nicht mehr in seinem Land dulden würde: „Unter dem Himmel!“
Nun sollte der päpstliche Kammerherr Karl von Miltitz, von Geburt ein sächsischer Edelmann, versuchen, den Ketzer in seine Gewalt zu bringen. Er führte mehr als 70 päpstliche Briefe an den Kurfürsten, an den Rath von Wittenberg und alle möglichen Städte mit sich, dass sie ihn mit dem gefangenen Luther frei durchziehen lassen sollten. Auch sollte er Friedrich dem Weisen als päpstliche Auszeichnung eine in Rom geweihte goldene Rose überbringen. So hoffte Papst Leo X. den Kurfürsten gefügig zu machen. Aber inzwischen lernte Miltitz die Stimmung des deutschen Volkes kennen, das sich größtenteils begeistert für Luther aussprach. Er änderte daher seinen Plan und floss nun über vor Freundlichkeit und brachte es Anfang Januar 1519 während einer Zusammenkunft mit Luther in Altenburg tatsächlich so weit, dass Luther erklärte schweigen zu wollen, wenn auch seine Gegner schweigen würden. Der Kurfürst von Trier sollte die Angelegenheit untersuchen.
Aber die Angelegenheit ging nicht nach menschlicher Übereinkunft weiter, sondern nach Gottes Willen und Leiten. Die Gegner Luthers schwiegen nicht. Dr. Eck, jener ehrgeizige Papist, hatte eine Disputation mit dem Wittenberger Professor Karlstadt, einem Freund und Anhänger Luthers, vereinbart und forderte durch seine Sätze Luther mit heraus. Die Disputation zwischen Eck auf der einen und Luther und Karlstadt auf der anderen Seite kam dann in den Tagen vom 27. Juni bis zum 13. Juli 1519 in Leipzig zustande und hatte für Luther die segensreiche Frucht, dass er erkannte, dass die Machtstellung des Papstes in der Kirche nicht nur vollständig der Heiligen Schrift widersprach sondern auch in der ersten Kirche nicht gewesen ist. Sie wurde allmählich von den römischen Bischöfen mit schlechten Mitteln eingeführt. Diese Erkenntnis erleichterte ihm den Kampf gegen das Papsttum, den er nun wieder besonders kräftig aufnahm. Auch erkannte er, dass Hus kein Ketzer gewesen war und unrechtmäßig in Konstanz verbrannt worden war, wodurch für ihn folgte, dass auch Konzilien sich irren können und die Wahrheit allein in der Schrift ist. Er musste am Ende der Disputation erklären, dass Eck und seinesgleichen so tief in die Schrift eindringen „wie die Wasserspinnen ins Wasser“. Um das zu beweisen verfasste er drei Schriften, von denen wir im folgenden Kapitel reden.
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