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Das erste Buch Mose (Genesis) Kapitel 1

Das erste Kapitel des ersten Buches Mose ist die Geschichte, wie Gott durch sein ewiges und allmächtiges Wort Himmel und Erde samt allen Lebewesen geschaffen und am sechsten Tag den Menschen, der das alles genießen und gebrauchen soll, gemacht und zum Herrn darüber gesetzt hat.

Auf dass wir lernen Gottes Güte in solchen Dingen zu erkennen und unser Herz in allerlei Nöten damit trösten, dass wir so einen allmächtigen und gnädigen Gott haben, der uns so reich versorgt und so väterlich mit allem, was wir bedürfen, bedacht hat. Solchen gnädigen Willen Gottes haben auch die Heiden aus der Schöpfung und Kreatur erkannt und darum Gott für gut und gnädig gehalten. Aber Gottes Wort hält den Christen einen höheren und größeren Trost bereit, durch den sie schließen müssen, dass Gott gnädig ist, weil er nicht allein alles den Menschen zu nutz erschaffen hat, sondern auch seinen eingeborenen Sohn zum Opfer für die Sünde und in den Tod gegeben hat. Darum soll ja niemand an der gnädigen Hilfe Gottes, Gunst und Rettung zweifeln, wie groß die Not auch immer sein mag.

Merke hier den Artikel unseres Glaubens. Gott ist ehe die Kreaturen da sind, das heißt: Er ist ewig und hat bei sich das Wort. Das ist auch ewig und Gott gleich, denn es ist ehe alle Kreaturen da sind. Und weil durch dieses Wort alle Kreaturen geschaffen werden folgt, dass dieses Wort allmächtig ist. Drittens nennt Mose hier den Geist des Herrn, der alles Geschöpf lebendig macht und erhält. Mose bezeugt hier klar Gott Vater, Gott Sohn oder das Wort und Gott der Heilige Geist ist der [drei]einige, ewige, allmächtige Gott, der Anfang und das Ende, wie unser Christenglaube aufweist.

[Dietrich et al. 1540]


Inhalt und Verweise
Bibeltext
Auslegung
Vom Ebenbild Gottes (1. Mose 1,26)
Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit (Wortkonkordanz)
Weitere Bibelillustrationen
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Quellen

 
Die Erschaffung der Welt aus einer Bilder-Bibel (um 1850)
Die Erschaffung der Welt aus einer Bilder-Bibel (um 1850)
 

Auslegung

In diesem 1. Kapitel zeigt Mose erstens auf, woher dieses große Gebäude des Himmels und der Erde seinen Ursprung genommen hat, nämlich von Gott, der aus seinem verborgenen Licht hervorgegangen ist und durch die Schöpfung sich zu erkennen gegeben hat. Das ist geschehen am Anfang aller Dinge, da noch weder Zeit noch Materie vorhanden war, also absolut nichts da gewesen ist. Mose schreibt weiter, dass die Erde am Anfang wild, wüst, finster und ungestalt ausgesehen hat; sie war noch nicht vollständig ausgestaltet oder mit Kreaturen versehen, sondern es war nur eine schlechte unförmige Materie; aber der Geist Gottes, der ein ewiger Geist ist, hatte auf seine Weise über solcher ungestalteter Materie, die mit Wasser und Erde vermengt war, geschwebt, und sie geschickt und tauglich gemacht, dass sie andere Kreaturen durch das Wort Gottes, das ein ewiges, selbstständiges Wort ist, hervorbringen konnte.

§1 Auslegung. Hierin sehen wir:

1. Dass Himmel und Erde nicht von Ewigkeit her gewesen sind, wie die blinden Heiden es gemeint haben, sondern sie haben einen Anfang gehabt. Was aber einen Anfang hat, das kann nicht von Ewigkeit gewesen sein. Wie nun Himmel und Erde einen Anfang haben, so werden sie auch ein Ende nehmen und nicht ewig bleiben. Sie werden vergehen und veralten wie ein Gewand oder Kleid; der Herr aber bleibt wie er ist, und seine Jahre nehmen kein Ende, wie David in Psalm 102,28 davon redet. Darum haben auch wir hier keinen ewigen Aufenthalt, sondern wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, dass wir an die vorige nicht mehr denken, noch zu Herzen nehmen werden (Jes. 65,17). Trotzdem haben wir die unendliche Allmacht Gottes, die sich im Werk der Schöpfung so erkennbar geäußert hat, mit Dank zu preisen, und mit Jeremia zu sprechen: Ach Herr, siehe, du hast Himmel und Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgestreckten Arm und ist kein Ding vor dir unmöglich (Jer. 32,17). Diesen Preis gaben dem allmächtigen Schöpfer auch die 24 Ältesten und sprachen: Herr, du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen (Offenb. 4,11).

2. Außerdem finden wir hier das Fundament unseres allein wahren Glaubens, wenn wir an einen Gott glauben, der doch dreifaltig ist in Personen. Denn Mose redet hier so, dass ein Göttliches Wesen daraus zu erkennen ist und doch mehrere Personen: Gott; das Wort; aus dem Evangelium (Joh. 1,1) ist klar zu erkennen, dass es nämlich am Anfang war, und zwar Gott selbst; und des Heiligen Geistes wird hier ausdrücklich gedacht. Obwohl dieses nur schwer zu verstehen ist, so haben wir doch die vollständige Offenbarung im Neuen Testament, wofür wir Gott hoch zu danken haben. Ebenso steht in Hebr. 11,3: Durch den Glauben merken wir, dass die Welt durch Gottes Wort fertig ist, dass alles, das man sieht, aus nichts geworden ist. Daher schreibt nicht nur Paulus das Werk der Schöpfung dem Dreieinigen Gott zu: Von ihm, durch ihn, und in ihm sind alle Dinge, ihm sei Ehre in Ewigkeit, Amen (Röm. 11,36). Sondern auch im Alten Testament heißt es: der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht, und all sein Heer durch den Geist seines Mundes (Psalm 33,6).

Zweitens berichtet Mose, wie Gott der Herr die ganze Erschaffung des Himmels und der Erde und auch aller Kreatur nicht auf einmal ganz vollkommen fertigstellen wollte, was er sonst wohl hätte tun können, sondern er hat 6 Tage dazu verwendet, nämlich:

Am ersten Tag hat er die oben angedeutete Materie ohne Form und das Licht erschaffen. Dem Licht hat er eine bestimmte Zeit zugewiesen, nämlich den Tag, und der Finsternis hat er auch eine besondere Zeit zugewiesen, nämlich der Nacht.

Am zweiten Tag fuhr Gott mit dem angefangenen Werk fort und hat eine Feste, oder runde Ausdehnung dieses sichtbaren Himmels gemacht, die auch die Wasser zerteilen soll, dass davon ein guter Teil über dem Himmel, und ein großer Teil unter dem Himmel und auf der Erde bleiben muss.

Am dritten Tag wurde erstens alles Wasser unter der Feste von der Erde abgesondert und an besonderen Orten gesammelt, nämlich das Meer, die Flüsse, Seen und Brunnquellen. Danach ist die Erde mit allerlei Arten der Kräuter, Gewächs und Bäumen geziert worden, die nicht von allein wachsen und Frucht tragen, sondern ein jedes nach seiner Art seinen Samen mit sich bringen sollte, damit sich nachfolgende Kräuter, Gewächs und Bäume fortpflanzen würden.

 
Die Erschaffung der Erde aus der „21. Dilherr Bibel“ (1729)
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Am vierten Tag hat Gott die allerschönsten Kreaturen am Himmel, die Sonne, den Mond und auch unzählbar viele Sterne geschaffen mit ihren Kräften, Nutzen und Wirkungen, damit die Erde beleuchtet wird; die Zeiten in Tage, Monate und Jahre unterschieden werden und noch weitere Bedeutungen haben.

Am fünften Tag hat Gott die Fische aus dem Wasser hervorgebracht und Vögel geschaffen in großer Zahl und in mancherlei Art, Form und Gestalt und ihnen eine solche Fruchtbarkeit gegeben, dass noch heute die Wasser von einer großen Menge an Fischen wimmeln und die Luft haufenweise mit Vögeln erfüllt ist.

Am sechsten Tag sind erstens verschiedene Tiere, kriechend und vierfüßig, zahme und wilde, von verschiedenen Arten und Gestalt erschaffen worden. Die sind alle aus der Erde durch Gottes Wort hervor gebracht worden, damit sie darauf wohnen sollen.

 
Die Erschaffung der Kreaturen aus der „21. Dilherr Bibel“ (1729)
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§2 Auslegung. Durch so vielfältige und wunderbare Geschöpfe sehen wir mit höchster Verwunderung in einem überaus herrlichen Meisterstück unseres Herrn und Gottes große Majestät, wie Paulus in Römer 1,20 erinnert: Damit dass Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt. Denn dass Gott diese Kreaturen, wenn wir ihre erste Materie betrachten, aus lauter Nichts gemacht hat, daraus erscheint seine göttliche Allmacht, damit er ruft dem, das nichts ist, dass es sei, wie in Römer 4,17 geschrieben steht. Dass er so viele unterschiedliche Kreaturen erschaffen hat, von denen keine der anderen gleich ist, sondern eine jede ihre eigene Art und Natur hat, darin hat sich die unendliche Weisheit Gottes sehen lassen. Seine überschwängliche Güte und Treue hat er daran gezeigt, dass er solche Kreaturen im Himmel und auf Erden nicht zu seinem eigenen Nutzen oder Gebrauch (denn er benötigte sie nicht, weil er als Gott in sich selbst lauter Freude, Herrlichkeit und ewige Seligkeit ist) sondern allein dem Menschen zu gutem Nutzen geschaffen und geordnet hat.

Demnach soll die Erkenntnis des allmächtigen Gottes in uns so viel wirken, dass wir an keinen anderen Gott glauben oder kennen, als den, der sich in den Werken der Schöpfung so gewaltig zu erkennen gegeben hat. Dieser Herr ist ein rechter Gott, ein lebendiger Gott und ein ewiger König (Jeremia 10,10).

Aus der unendlichen Weisheit Gottes sollen wir ihm in unserem ganzen Leben lernen zu vertrauen. Denn kein Unglück ist so groß, auch wenn aller menschlicher Witz und Weisheit aufhört, so weiß dieser weise Gott tausend Mittel und Wege das Unglück abzuwenden und uns daraus zu erlösen.

Und weil unser treuer und milder Gott alle Kreaturen uns Menschen zum Besten erschaffen hat, sollen wir nicht nur alles Gute von ihm erwarten, sondern ihn auch als einen lieben Vater von Herzen lieben, ehren, fürchten und seinen Willen zu erfüllen uns bemühen. So wird er uns täglich noch viel Gutes an Leib und Seele erweisen. In sechs Tagen hat Gott Himmel und Erde vollendet, also sollst du auch sechs Tage arbeiten und alle deine Dinge verrichten (2. Mose 20,9).

In den ersten Tagen hat Gott den Himmel mit Sonne, Mond und all seinem Heer ausgestattet, darum sollen wir aufsehen, die Weisheit des Meisters bewundern und seine hohe Hand preisen, wie er selbst sagt: Hebet eure Augen in die Höhe und sehet! Wer hat solche Dinge geschaffen und führt ihr Heer bei der Zahl heraus? Er ruft sie alle mit Namen; sein Vermögen und seine Kraft ist so groß, dass es nicht an einem fehlen kann (Jesaja 40,26). Danach hat der milde Vater auch die Erde mit edlen Pflanzen und Früchten dem Menschen zum Vorrat erfüllt, wie Paulus sagt: es ist alles euer (1. Korinther 3,21). Daraus haben wir Gottes Güte zu erkennen und mit David zu preisen: Herr, wie sind deine Werke so groß und viel, du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter (Psalm 104,24).

Drittens beschreibt Mose wie Gott der Herr am sechsten Tag noch vorgehabt hat die alleredelste Kreatur zu schaffen, nämlich den Menschen, der alle Kreaturen auf dem Erdboden weit übertreffen soll. Deshalb hat er denselben nicht auf die gleiche Weise von der Erde gemacht wie die anderen Tiere, sondern die ganze Heilige Dreifaltigkeit hat darüber beraten, wie man in großen wichtigen Sachen zu tun pflegt, und hat beschlossen ein Paar Menschen zu machen, einen Mann und eine Frau. Die sollen weise sein, gerecht, selig und Herren über alle anderen Kreaturen auf der Erde. In diesen Stücken sollen sie Gottes Ebenbild tragen. Sie, wie auch andere Tiere, hat Gott gesegnet, dass sie durch ihre Vermehrung die Erde erfüllen sollen. Ihnen allen hat Gott die Pflanzen zur Speise und Nahrung gegeben. Und dann beschließt Mose die Werke der Schöpfung damit, dass Gott, nachdem er alles fertiggestellt hat, hat er es in Augenschein genommen und alles für herrlich und gut erachtet für den Zweck, zu dem er es bestimmt hat.

 
Die Erschaffung der Eva aus Biblia (1607)
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§3 Auslegung. Hier wissen wir nicht, ob wir mehr die Herrlichkeit des Ebenbildes Gottes, damit unsere ersten Eltern geziert worden sind, preisen, oder das tiefe Elend, darin wir Menschen nach dem verlorenen Ebenbild jetzt stecken, bedauern und beweinen sollen. Denn als der Mensch im Stand der Unschuld war, hatte er eine vollkommene Erkenntnis aller göttlichen und menschlichen Sachen. Jetzt ist sein Verstand verfinstert, sodass der natürliche Mensch nichts vom Geist Gottes vernimmt. Es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen (1. Korinther 2,14).

Des Menschen Wille, mit allen Affekten und Gemütsbewegungen, hätte sich durchaus nach dem Willen Gottes mit Lust und Freude gerichtet. Jetzt ist da aber nur Widerwillen und Feindschaft gegen Gott. Die menschlichen Kräfte sind dem Gesetz Gottes nicht untertan und können es auch nicht (Römer 8,7). Ebenso sollte der Mensch ein Herr über alle Tiere sein, dann hätten sie ihm gehorcht. Nun haben sich die Tiere großenteils diesem Gehorsam entzogen und der Mensch muss sich vor ihnen schützen und sie fürchten. Wir müssen aber Gott danken, dass er durch die heilige Taufe solch ein Ebenbild in uns wieder etwas erneuert. Darum sollen wir auch den alten Menschen aus- und den neuen, durch Erneuerung im Geist unseres Gemüts, anziehen in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, bis nach Ablegung des Sündenbildes unser Herr und Gott sein heiliges Ebenbild im ewigen seligen Leben in uns vollkommen erneuern wird. Gott der grundgütige Schöpfer hat dem Menschen allerlei Kraut und Baumfrüchte zur Speise beschert, damit sollen wir auch vorlieb nehmen, wie Daniel und seine Freunde lieber schlechtes Gemüse als die königlichen Leckereien gehabt haben (Daniel 1,5). Was Gott gemacht hatte, war alles sehr gut, so gebraucht die Welt, dass ihr sie nicht missbraucht (1. Korinther 7,31). Sonst muss auch das unvernünftige Geschöpf (die Tiere) über dem unverantwortlichen Missbrauch seufzen und sich ängstigen (Römer 8,22). Lass endlich sein, dass die ganze Welt zum Ende eile und zum Untergang sich neigt, so sollen wir unsere Seele Gott anbefehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken (1. Petrus 4, 7-9) denn, wie der 124. Psalm Vers 8 sagt: unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der sei hoch gelobt in Ewigkeit, Amen!

[Hainlin, Rebstock, Zeller 1709]


 

Vom Ebenbild Gottes (1. Mose 1,26)

Ich befürchte, weil wir dieses Bild durch die Sünde und den Fall verloren haben, wir werden es nicht vollständig verstehen können. Ein Gedächtnis, Willen und Verstand haben wir zwar, aber sehr verdorben und auf das höchste verrückt und geschwächt, deutlich gesagt, aussätzig und unrein. Denn, wenn diese Kräfte Gottes Bild sein sollten, so würde daraus folgen, dass auch der Teufel, der solche natürlichen Kräfte sehr viel stärker hat als wir, zum Bilde Gottes geschaffen wäre. Denn sein Gedächtnis und Verstand sind sehr hoch und gewandt, sein Wille aber ist vollständig verstockt.

Darum ist das Bild Gottes etwas vollständig anderes, nämlich ein besonderes Werk Gottes. Doch wenn jemand darauf bestehen will, dass die Kräfte der Seele Gottes [Eben-]Bild sind, der wird doch erkennen, dass sie aussätzig und unrein sind, so wie wir einen aussätzigen Menschen doch einen Menschen nennen, obwohl im Fleisch des Aussätzigen alles tot und erstorben ist.

Deshalb ist das Bild Gottes, nach dem Adam geschaffen ist, das allerherrlichste und edelste Ding gewesen, nämlich als kein Aussatz der Sünde, weder in der Vernunft noch an seinem Willen gewesen ist, sondern beide, die innerlichen und äußerlichen Sinne, alle auf das reinste gewesen sind. Der Verstand ist ganz rein, das Gedächtnis ganz gut und frisch, und der Wille ganz aufrichtig und wahrhaftig gewesen, in einem sehr schönen, reinen und sicheren Gewissen, ohne alle Sorge und Furcht vor dem Tod. Zu dieser innerlichen Vollkommenheit ist danach auch des Leibes und aller Glieder schönste und ausgezeichnetste Kraft und Herrlichkeit gekommen, wodurch er alle anderen lebenden Kreaturen übertroffen hat. Denn ich gehe davon aus, dass Adams Augen vor dem Fall so scharf und hell gewesen sind, dass er besser sehen konnte als die Luchse und Adler. Er war viel stärker als Löwen und Bären, deren Stärke doch so groß ist, und ist mit ihnen umgegangen wie wir mit kleinen Hunden. So sind auch die Früchte, die er zur Speise hatte, viel lieblicher und kräftiger gewesen, als sie heute sind.

 
Adam und Eva im Paradies aus der „13. Dilherr Bibel“ (1702)
Adam und Eva im Paradies aus der „13. Dilherr Bibel“ (1702) - ganze Seite anzeigen
 

 

Aber nach dem Fall hat sich der Tod eingefressen, wie der Aussatz, in alle Sinne, so dass wir ein solches [Eben-]Bild, wie wir es früher gehabt haben, auch in Gedanken nicht erfassen können. Adam hätte seine Eva nicht anders erkannt, als in einem ganz stillen und friedlichen Gemüt und willigem Gehorsam gegenüber Gott, ohne alle sündliche Lust und Gedanken. Nun aber, nach dem Fall, wissen und fühlen wir alle, was für ein Grimm in unserem Fleisch steckt, das nicht nur grimmig und brünstig gelüstet und begehrt, sondern sich auch ekelt, wenn es sich darüber bewusst wird nachdem es gelüstet hat. Darum sehen wir an uns selbst nichts rein und vollkommen, weder die Vernunft, noch den Willen, sondern fühlen an uns nichts mehr als tierische Lüste und Brunst. Ist aber das nicht ein schwerer und schädlicher Aussatz, den Adam vor dem Fall nicht hatte, zu dem, dass er größere Stärke und schärfere Sinne hatte als die anderen Tiere? Wie weit übertreffen jetzt den Menschen die wilden Schweine mit ihrem Gehör, die Adler mit ihren Augen, ein Löwe mit seiner Stärke, usw. Darum kann kein Mensch, auch nicht in Gedanken, erfassen, wie weit die Natur vor dem Fall besser gewesen ist als heute.

Darum verstehe ich Gottes [Eben-]Bild so, dass es Adam an sich hatte und dass er nicht allein Gott erkannt und geglaubt hat, dass er gütig ist, sondern dass er auch ein vollkommen göttliches Leben geführt hat. Das bedeutet, dass er ohne Furcht vor dem Tod und aller Gefahr gewesen ist und sich an Gottes Gnade hat genügen lassen. Das ist an Eva zu sehen, denn sie hat mit der Schlange ohne Furcht geredet, so wie wir mit einem Lamm oder einem Hund sprechen. Darum legt ihnen auch Gott in 1. Mose 2,17 diese Strafe vor, wenn sie sein Gebot übertreten würden: „Welches Tages ihr von diesem Baum essen werdet, sollt ihr des Todes sterben“. Als wollte er sagen: Adam und Eva, ihr lebt nun sicher und ohne alle Furcht und Gefahr, ihr fühlt und seht den Tod nicht. Das ist mein Bild, in dem ihr lebt so wie auch Gott lebt. Werdet ihr aber sündigen, so werdet ihr dieses Bild verlieren und sterben.

Daher sehen wir nun, welche Gefahr, Tod und allerlei Ursachen des Todes, diese [unsere] elende Natur tragen und verfluchen muss, aufgrund der schändlichen Lustseuche und grimmigen Sünde und unordentlichen Erregung in aller Menschen Herzen. Wir können uns niemals sicher auf Gott verlassen, sondern Schrecken und Furcht plagen uns, auch im Schlaf. Solches aber und dergleichen Plagen und Gebrechen sind des Teufels [Eben-]Bild, das er uns angehängt und aufgedrückt hat. Vor dem Fall hat Adam in größter Lust und Sicherheit gelebt, hat weder Feuer noch Wasser, noch ein anderes Unglück womit dies Leben angefochten wird, gefürchtet, wovor wir uns heute sehr fürchten.

Nun mag die Erbsünde klein und gering machen wer da will, so scheint es an den Sünden und an den Strafen [zu liegen], dass es die größte und schwerste Sünde ist. Schau allein die Unzucht und Wollust an, ist sie nicht sehr groß und schrecklich, beides mit Gelüsten und Ekeln? Was wollen wir aber sagen von dem Hass und der Feindschaft gegen Gott und Gotteslästerung? Denn das sind die wirklich groben Sünden, die deutlich anzeigen, dass das Bild in uns verloren ist.

Darum, wenn wir von diesem Bilde reden, so reden wir von einem unbekannten Ding, das wir nicht nur nie erlebt, noch erfahren haben, sondern wir erfahren unaufhörlich das Gegenteil und hören nichts davon als nur bloße Worte. Denn in Adam ist die Vernunft erleuchtet gewesen mit wahrer Erkenntnis Gottes, dazu ein richtiger und gehorsamer Wille Gott und den Nächsten zu lieben, wie er Eva geliebt und erkannt hat als sein Fleisch. Dazu sind auch andere geringe Gaben gekommen, die aber, wenn man sie mit unserer Schwachheit vergleicht, auch sehr groß sind, wie eine vollkommene Erkenntnis der Natur der Tiere, Kräuter, Früchte, Bäume und anderen Kreaturen.

Meinst du nun, wenn man alles zusammenrechnet und zusammensetzt, ob es nicht einen solchen Mann geben kann, in dem du einen Widerglanz des Bildes Gottes sehen und spüren könntest? Ja freilich, besonders wenn du dazu tust die Gewalt und Herrschaft über die Kreaturen, dass, wie Adam und Eva den Herrn erkannt haben, so haben sie danach über andere Kreaturen in der Luft, im Wasser und auf der Erde regiert. Wer könnte nun eine solche Hoheit und Majestät mit Worten genug ausdrücken? Denn ich glaube, dass Adam mit einem Wort einem Löwen gebieten konnte, wie wir gebieten einem [an den Menschen] gewöhnten Hund. So ist es ihm auch frei gewesen, das Land zu bebauen, so dass es trüge, was er wollte.

Denn dass es Dornen und Disteln damals noch nicht gab, wird sich später zeigen; wie ich auch achte, das so scheußliche und schädliche Tiere, wie es sie heute gibt, damals nicht gewesen sind.

Aber dies ist der Erbsünde Schuld, von der die ganze Kreatur beschmutzt worden ist, sodass ich es dafür halte, dass vor dem Fall die Sonne viel heller, das Wasser viel reiner und lauterer, die Bäume viel fruchtbarer und das Land von allen Gewächsen viel reicher und voller gewesen ist. Durch die Sünde aber und den schrecklichen Fall ist nicht allein das Fleisch mit dem Aussatz der Sünde befallen, sondern es sind auch alle Dinge, die man zu diesem Leben gebraucht, verdorben und schwächer geworden.

Damit geht aber nun das Evangelium um, dass es dieses Bild erstattet und wiederbringt. Es ist zwar im Menschen geblieben Verstand und Wille, aber alles beides sehr beschädigt und geschwächt. Darum hat das Evangelium vordringlich damit zu tun, dass wir zu diesem und einem besseren Bild wieder geschaffen werden. Denn durch den Glauben werden wir wiedergeboren zum ewigen Leben, oder vielmehr zur Hoffnung des ewigen Lebens, das wir in Gott und mit Gott leben und eins sind mit ihm wie Christus sagt. Wir werden aber nicht allein zum Leben wiedergeboren, sondern auch zur Gerechtigkeit, denn der Glaube ergreift den Verdienst Christi, glaubt und hält es dafür, dass wir durch den Tod Christi erlöst sind. Davon kommt dann eine neue Gerechtigkeit, nämlich ein neues Leben, darin wir, nachdem wir mit dem Wort unterrichtet sind, durch die Hilfe des Heiligen Geistes uns befleißigen Gott gehorsam zu sein. Aber diese Gerechtigkeit beginnt nur in diesem Leben und kann in diesem sündlichen Fleisch nicht vollkommen sein. Gott aber lässt sie sich gefallen, nicht als wäre sie vollkommen oder eine Bezahlung für die Sünde, sondern dass sie aus dem Herzen kommt, welches sich im Glauben tröstet und sich verlässt auf die Barmherzigkeit Gottes durch Christus. Danach geschieht es auch durch das Evangelium, dass uns der Heilige Geist gegeben wird, welcher widersteht in uns dem Unglauben, Neid und anderen Lastern, damit wir mit Ernst wünschen und begehren den Namen Gottes und sein Wort zu ehren.

Auf diese Weise beginnt in diesem Leben die Erstattung dieses Bildes der neuen Kreatur durch das Evangelium, wird aber in diesem Leben nicht vollendet. Wenn sie aber vollendet wird im Reich Gottes, dann wird der Wille rechtschaffen frei und gut sein, der Verstand rechtschaffen erleuchtet und das Gedächtnis stark und beständig sein. Dann wird es auch geschehen, dass sich uns alle Kreaturen unterwerfen und gehorsamer sein werden, wie sie Adam im Paradies gewesen sind.

Ehe aber dies in uns vollbracht und erfüllt wird, können wir eigentlich nicht wissen, was das Bild Gottes, das durch die Sünde im Paradies verloren ging, gewesen ist. Dass wir aber jetzt davon reden, das lehrt uns der Glaube und das Wort, die uns, wie aus der Ferne, die Herrlichkeit des göttlichen Bildes zeigen und weisen.

Denn gleichwie Himmel und Erde zuerst, ehe das Licht hinzugekommen ist, roh und grob gewesen ist, so haben die Christen dieses Bild auch grob und unvollkommen in sich. Gott wird es aber vollkommen machen am jüngsten Tag an denen, die dem Wort geglaubt haben werden.

Darum ist das [Eben]Bild Gottes ein trefflich Ding gewesen, darin eingeschlossen ist ewiges Leben, ewige Sicherheit und alle Güter. Durch die Sünde aber ist es dermaßen verdunkelt und geschwächt, dass wir es auch mit Gedanken nicht fassen können. Denn die bloßen Worte können wir zwar haben und sprechen; aber wer kann sie verstehen, was es heißt in sanfter Ruhe und Sicherheit zu leben, ohne Furcht und Gefahr, dazu weise und verständig zu sein, aufrichtig, fromm und frei von allem geistlichen und weltlichen Unglück und Elend? Noch ist es ein viel Größeres gewesen, dass er auch des ewigen Lebens fähig gewesen ist. Denn Adam war so geschaffen, dass er, so lange er in diesem zeitlichen Leben wäre, hätte er die Erde bebauen mögen, was ihm nicht eine verdrießliche Arbeit, und die den Leib müde macht, gewesen wäre, sondern die größte Freude. Nicht, dass er damit die Zeit hätte verbringen und vertreiben sollen, sondern damit er Gott gehorsam gewesen wäre und sich nach seinem Willen gehalten hätte.

Auf dieses leibliche oder zeitliche Leben wäre danach ein geistliches gefolgt, in dem er keine leibliche Speise hätte gebraucht, noch andere Dinge tun womit dies Leben umgeht, sondern hätte ein engelgleiches und geistliches Leben gehabt. Denn das zukünftige ewige Leben wird uns so in der Heiligen Schrift ausgemalt, dass wir darin weder essen noch trinken, noch andere leibliche Werke tun werden. Darum sagt Paulus (1. Kor. 15,45): Der erste Mensch Adam ist gemacht in das natürliche Leben, das ist er muss leben natürlicher Weise, muss essen, trinken, schlafen, usw. aber der andere Mensch wird erneuert werden in das geistliche Leben, d.h. er wird ein geistlicher Mensch sein, wenn er zum Bilde Gottes wieder kommen wird. Denn er wird Gott gleich sein, im Leben, in Gerechtigkeit, Heiligkeit, Weisheit, usw.

[Martin Luther in Vent 1826]


 

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Quellen

Veit Dietrich, Philipp Melanchton, Johannes Brenz (um 1540)
Summaria uber die gantze Bibel / das Alte und Newe Testament / Darinn auffs kürtzte angezeygt wirdt / was am nötigsten und nützten ist / dem jungen Volck / und gemeinem Mann / aufs allen Capiteln zu wissen / und zu lernen / Darnach sie ir leben richten / und solcher feiner Lehre / zu irer seelen seligkeit brauchen können / Durch Vitum Dietrich.
Item / Underschied des Alten unnd newen Testaments. Fürneme unterschied zwischen reiner Christlicher lehre des Euangelij und der Abgöttischen Papisten lehre. Christlicher und kurtzer unterricht von vergebung der sünde und seligkeyt / Durch Philip. Melanch. Kurtzer begriff und inhalt der gantzen heyligen Schrifft unnd aller biblischen Bücher des Alten unnd Newen Testaments / Durch Johannem Brencium.
Gedruckt in Nürnberg bei Johann vom Berg und Ulrich Neuber 1559
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Johann Jacob Hainlin, Jeremias Rebstock, Johann Conrad Zeller (1709)
Summarien Oder gründliche Auslegung Uber die gantze Heil. Schrifft Alten und Neuen Testamentes, Wie auch Uber die so genannten Apocrypha Samt nützlicher Unterweisung zum heilsamen Gebrauch im Glauben, Leben und Leiden, Hiebevor so wol zu öffentlicher Kirchen-Andacht, in denen Vesper-Lectionen in dem Hertzogthum Würtemberg und andern Evangelischen Ländern, Als auch auf eines ieden Christlichen Haus-Vaters sonderbahre Haus-Kirche gestellet
Herausgegeben von Johann Wolfgang Jäger, Johann Christophorus Pfaff und Andreas Adam Hochstetter
Gedruckt: Leipzig, Joh. Friedrich Gleditsch 1709
 
Hans Lorenz Andreas Vent (1826)
Dr. Martin Luthers Werke. In einer das Bedürfniß der Zeit berücksichtigenden Auswahl. Zweites Bändchen. Bibelerklärung.
Perthes Hamburg 1826